Kinder zeugen trotz Krebserkrankung

Für immer mehr jüngere Krebspatienten gibt es noch ein langes Leben nach der Erkrankung. Damit rückt auch die Zeugungsfähigkeit mehr in den Fokus.

Die Krebsmedizin hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewaltige Fortschritte vollzogen. An Darmkrebs beispielsweise sterben heute nur noch rund halb so viele Patienten innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose wie in den 1970er-Jahren. Beim Prostatakrebs konnte die 5-Jahres-Überlebensrate im selben Zeitraum von gut 60 auf knapp 90 Prozent gesteigert werden. Damit haben viele Krebspatienten nach der Therapie noch zahlreiche Lebensjahre vor sich.

Für jüngere Krebspatienten stellt sich dadurch vermehrt die Frage, ob sie nach erfolgreicher Behandlung noch eine Familiengründung ins Auge fassen können. Prinzipiell ist dies durchaus möglich, auch wenn die Therapie unweigerlich mit Zellschädigungen einhergeht (wie eine Chemo- oder Strahlentherapie). Es empfiehlt sich aber dringend, den Fertilitätserhalt schon vor Beginn der Krebstherapie zu thematisieren und gegebenenfalls einzuleiten.

Standardmethode Kryokonservierung
Während es für Frauen mehrere etablierte Verfahren zur Erhaltung der Fruchtbarkeit gibt, bildet für den Mann die Kryokonservierung von Spermien die Standardmethode. „Bei der Kryokonservierung werden die Spermien in minus 196 Grad kaltem Stickstoff tiefgefroren. So verlängert sich ihre Lebensdauer um viele Jahre, manchmal sogar um Jahrzehnte“, erläutert der in Berlin-Mitte praktizierende Urologe Dr. Gert Heine. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung können die Spermien dann später aufgetaut und zur Zeugung verwendet werden.

Im Regelfall – bei mehr als vier von fünf Patienten – wird das Sperma durch Masturbation gewonnen. Ist das nicht möglich, beispielsweise wegen des jungen Alters des Patienten oder wegen weltanschaulicher Vorbehalte, kann unter Vollnarkose eine transrektale Elektroejakulation vorgenommen werden. Zahlreiche Krebspatienten können allerdings aufgrund bereits vorliegender körperlicher Einschränkungen gar keinen Samenerguss mehr hervorbringen. Auch für sie gibt es meist einen Weg zur Kryokonservierung: Aus operativ entnommenem Hodengewebe lassen sich mit einem TESE (testikuläre Spermienextraktion) genannten Verfahren zeugungsfähige Spermien gewinnen. Erfahrungsgemäß führt TESE bei zwei von drei Patienten zum Erfolg.

Der für die meisten Menschen existenziell bedeutsame Wunsch, sich fortzupflanzen, muss also bei einer Krebsdiagnose keineswegs aufgegeben werden. Betroffene Männer sollten sich frühzeitig mit ihrem Urologen beraten.