Organspende: Zeit für eine bewusste Entscheidung
Die Zahl der postmortalen Organspenden stagniert seit Jahren auf niedrigem Niveau, 2019 nahm sie erneut leicht ab. Die neue „erweiterte Zustimmungslösung“ dürfte daran wenig ändern. Die Organspende ist ein Thema, mit dem sich jede und jeder auseinandersetzen sollte.
Es ist wohl hauptsächlich dem Organspendeskandal von 2012 zuzuschreiben, dass die Bereitschaft, nach dem eigenen Tod ein oder mehrere Organe zu spenden, in Deutschland bis heute auf niedrigem Niveau verharrt. Im Jahr 2011 wurden noch 1.200 postmortale Organspenden verzeichnet, 2013 waren es 876, also ein gutes Viertel weniger. Seitdem hat sich nicht viel getan; im vergangenen Jahr lag die Zahl bei 932, nachdem sie ein Jahr zuvor erstmalig seit dem Einbruch wieder über die Marke von 950 gesprungen war.
Dem gegenüber stehen über 9.000 Patienten, die dringend auf ein Spenderorgan angewiesen sind – woraus sich eine erschreckende Quote ergibt. In nur wenigen anderen Ländern ist die Organspendebereitschaft so wenig ausgeprägt wie in Deutschland, das seinen Bedarf auch mit dem Import von Spenderorganen bei Weitem nicht decken kann. Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass einem Verstorbenen nur dann Organe entnommen werden dürfen, wenn er zu Lebzeiten explizit zugestimmt hat.
Daran hat auch die jüngste Gesetzesreform nichts geändert, die im Januar vom Bundestag verabschiedet wurde. Die „erweiterte Zustimmungsregelung“ sieht im Wesentlichen mehr Aufklärung der Bundesbürger vor, unter anderem durch die Hausärzte. Der Gegenvorschlag einer Widerspruchslösung – bei der man als potenzieller Organspender gilt, sofern man nicht widerspricht – konnte sich nicht durchsetzen.
„Keine gute Nachricht für unsere schwerkranken Patienten“
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU), die eine Widerspruchslösung favorisiert, brachte ihre Unzufriedenheit mit der Bundestagsentscheidung zum Ausdruck. So ließ DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Maurice Stephan Michel verlauten: „Wir sind tief enttäuscht, dass der von uns geforderte Paradigmenwechsel zur Organspende ausgeblieben ist. Der nun beschlossene Gesetzentwurf stellt lediglich eine gewisse Modifizierung der bisherigen Entscheidungslösung dar, die wenig bewirkt hat. Das ist keine gute Nachricht für unsere schwerkranken Patienten, die dringend ein Spenderorgan benötigen, aber wegen des Mangels an Organen durchweg viel zu lange darauf warten müssen.“ Die DGU verweist darauf, dass die Spenderquoten in Ländern mit Widerspruchslösung durchweg deutlich über der deutschen lägen.
Praktiker wie der in Berlin-Mitte niedergelassene Urologe Dr. Gert Heine appellieren an die Patienten, sich bewusst und eingehend mit der Frage einer Organspende auseinanderzusetzen: „Niemandem ist ein Vorwurf zu machen, wenn er oder sie eine Organspende für sich persönlich ablehnt. Doch ignorieren sollte man das Thema auch nicht, dazu ist es zu wichtig. Mit einer wohlinformierten Entscheidung leistet man einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag, egal wie sie am Ende ausfällt.“