Immer mehr deutsche Männer sind unfruchtbar

Spermienkonzentration und -qualität sinken in den Industrieländern in besorgniserregendem Tempo. Über die Ursachen kann bisher nur spekuliert werden.

Bei nahezu jedem zehnten Paar im Alter von 25 bis 59 Jahren, das hierzulande einen Kinderwunsch hegt, bleibt dieser unerfüllt. Wie sich immer mehr zeigt, ist der Anteil des Mannes daran größer als lange angenommen und weithin bekannt. Denn auch bei voller Erektionsfähigkeit und Potenz ist keineswegs garantiert, dass das Ejakulat genug gesunde Spermien für eine Befruchtung enthält. Zwischen 1973 und 2011 hat sich die Spermienkonzentration laut Weltgesundheitsorganisation mehr als halbiert, von 99 Millionen auf 47 Millionen Spermien pro Milliliter. Nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten sogenannten westlichen Welt, also Europa, USA, Kanada, Australien und Neuseeland.

Setzt sich dieser Trend fort, könnte die Zeugungsfähigkeit des Mannes am Ende ernsthaft bedroht sein. „Theoretisch ist eine natürliche Befruchtung auch bei einem Spermium möglich, doch da braucht man Glück. Die Weltgesundheitsorganisation setzt die Schwelle zur De-facto-Unfruchtbarkeit bei rund 15 Millionen Spermien pro Milliliter an“, erläutert der in Berlin-Mitte praktizierende Urologe Dr. Gert Heine.

Auch die Qualität der Spermien nimmt ab
Es kommt indes nicht allein auf die Spermienkonzentration an; die nur rund 0,006 Zentimeter lange männliche Keimzelle muss auch hinreichend gesund und agil sein. Und bei diesen qualitativen Kriterien sieht es ebenfalls nicht gut aus. Mediziner berichten von immer höheren Anteilen deformierter bzw. funktionsuntüchtiger Spermien. Die Weltgesundheitsorganisation hat ihre Mindestanforderung bereits nach unten angepasst und hält heute vier Prozent gesunder, beweglicher Spermien für ausreichend, während es zuvor rund zwei Drittel sein sollten.

Im Dunkeln liegen bis auf Weiteres die Ursachen dieser Entwicklung. Spekuliert wird, dass Laptops auf dem Schoß und Handys in der Hosentasche zerstörerische Strahlung aussenden könnten oder dass engere Kleidung den Hoden zu wenig Raum lasse. Im Verdacht stehen außerdem Weichmacher in Verpackungen, Deo oder Klebstoff, die das Hormonsystem durcheinanderbringen könnten. Manche Mediziner glauben allerdings auch an einen Selbstregulierungsprozess der Natur, der die Fortpflanzung hemmt, da in den reichen Industriestaaten kein „Fortpflanzungsdruck“ wie in früheren Jahrhunderten mehr herrsche.

Wegen dieser Ungewissheiten können Männer nicht viel tun, um ihre Fruchtbarkeit zu erhöhen oder zu erhalten. Was immerhin gesichert ist: Mit dem Alter nimmt diese ab. Wer also in jungen Mannesjahren bereits weiß, dass er deutlich später einmal Kinder zeugen möchte, kann eine Kryokonservierung seines Samens in Erwägung ziehen. Falls seine Spermienmenge und -qualität dann zum gewünschten Zeitpunkt nicht mehr ausreichen, lassen sich die gefrorenen Keimzellen für eine künstliche Befruchtung einsetzen.